Das Kellion Axion Estin

Wenn man von der Skite Agiou Andreou (auch Serail genannt) den Berg steil bergab geht, einen Bach auf einer kleinen Brücke überquert hat und anschließend wieder etwas ansteigt, kommt man zu dem Kellion Axion Estin. Es liegt mit seinen blau angemalten Fenstern und den weiß verputzten Wänden friedlich am Hang mitten in einer Wiese und viele Wanderer sind wahrscheinlich achtlos vorbeigegangen, ohne zu wissen, welches Kleinod dort zu finden ist.

Nebenbei: Unten gezeigte Bilder können durch einen Mausklick vergrößert werden

Vielen Athosbesuchen sind die Worte "Axion Estin" bekannt.  Die berühmteste Ikone des Heiligen Berges, wahrscheinlich von ganz Griechenland, die sich im Protaton, der Kirche von Karyes befindet, heißt so, wie auch ein Hymnus, der in der orthodoxen Kirche regelmäßig geungen wird. Auch ein Schiff, das jahrelang die Pilger von und nach Daphni brachte, trägt den Namen Axion Estin.

Im Kellion namens Axion Estin wurde nämlich nach der Überlieferung erstmals vom Erzengel Gabriel im Jahr 982 vor der Ikone der Hymnus „Άξιον Εστιν“  gesungen und von ihm der Text in einen Stein geschrieben. Die entsprechende Legende wird am Ende dieses Artikels geschildert.

Auch wer den Athosfilm von Peter Bardehle im Kino oder bei ARTE gesehen hat, kennt das Kellion Axion Estin. Es werden dort zwei Mönche gezeigt, die recht unerfahren in der Trapeza ein Ofenrohr nach außen führen. Außerdem ist der Gerontas Lukianos zu sehen, der die Schädel aus dem kleinen Beinhaus vorsichtig in eine mit einem weißen Tuch ausgelegte Schubkarre legt, damit die Schädel gesäubert und das Beinhaus restauriert werden kann.

Im Gegensatz zu der Bedeutung dieses Kellions für die Orthodoxie steht der heutige, bedauernswerte bauliche Zustand des Kellions. Das Kellion, das zum Kloster Pantokratoros gehört, stand viele Jahre leer und ist erst vor einigen Jahren von einer Bruderschaft vom Festland wieder besiedelt worden. Da die Bruderschaft acht Mönche umfasst und das Kellion Axion Estin nicht genügend Platz für alle bietet, leben einige Mönche in einer etwa zehn Minuten Fußweg entfernten Kaliva namens „Agios Baslios & Osios Theophilos“.

Die im Kellion Axion Estin lebende Mönchsgemeinschaft um ihren Gerontas Lukianos will das Kellion wieder in Stand setzen, was aber bei der Größe der Aufgabe nicht ohne fremde Hilfe zu leisten ist.

Es ist schwer verständlich, dass einerseits viele Kellien auf dem Athos sehr wohlhabend und perfekt restauriert sind, teils auch mit Hilfe der Europäischen Gemeinschaft, während das Kellion Axion Estin trotz seiner Bedeutung für den Heiligen Berg so gut wie keine Unterstützung erhält.

Wir, die deutschen Athosfreunde unterstützen daher seit 2017 die Restaurierung des Kellions. Geplant ist derzeit, als Beginn der Baumaßnahmen, das zerfallene Arbeiterhaus auf dem Gelände zu restaurieren, in dem die Mönche dann vorübergehend leben können, wenn das Hauptgebäude renoviert werden wird. So wie wir Vater Lukianos und seine Mitbrüder kennen gelernt haben, sind wir überzeugt, dass diese vitale Mönchsgemeinschaft die Kraft und Energie hat, diese Aufgabe zu schaffen.

Links unten das Arbeiterhaus vor der Restaueriung und rechts danach. Ganz unten der Gerontas Loukianos mit zwei Mitbrüdern.

Nähere Informationen siehe auch die Internetseite des Kellions www.keliaxionestin.com/eng/

Die Legende der Ikone Axion Estin wird im zweibändigen Werk „Das Synaxarion“ unter 11. Juni aufgeführt. Nach der Überlieferung ereignete sich im Jahr 982 nachfolgendes Wunder:

Zwischen Karyes, dem Verwaltungssitz des Heiligen Bergs Athos, und dem Kloster Pantokrator lebte in einem Kellion ein tugendreicher Priestermönch mit seinem Jünger. Eines Samstagabends ging der Gerontas in die Kirche des Protaton in Karyes, um der wöchentlichen Nachtwache beizuwohnen, und ließ seinen Jünger allein zurück. Als es dunkel wurde, klopfte ein unbekannter Mönch an die Tür, und der Jünger nahm ihn für die Nacht auf. Am frühen Morgen fanden sie sich im Kirchlein des Kellions ein, um zusammen den Orthros zu singen. Als sie zur 9. Ode kamen, und der Jünger vor der Ikone der Gottesmutter anfangen wollte, das "Ehrwürdiger bist du als die Cherubim" zu singen, kam ihm der fremde Mönch zuvor und sang:

Würdig ist es (gr. Άξιον εστίν, Axion estin) in Wahrheit, dich selig zu preisen, Theotokos (Gottgebärerin), du allzeit Seligste und Makellose Mutter unseres Gottes. Die Du geehrter bist als die Cherubim und unvergleichlich herrlicher als die Seraphim, die Du unversehrt Gott, das Wort geboren hast, Dich, die wahrhafte Gottgebärerin, hochpreisen wir.

Überrascht, diesen Hymnus zum ersten Mal zu hören, bat der Jünger seinen Gast, denselben für ihn nieder zu schreiben, doch da sie kein Papier fanden, gravierte ihn der Mönch mit seinem Finger ohne Mühe tief in eine Steinplatte ein. Er fügte hinzu: „Von heute an sollen alle Orthodoxen den Hymnus an die Gottesmutter auf diese Weise singen.“ Dann verschwand er.

Als der Gerontas bei seiner Rückkehr den Bericht seines Jüngers vernahm, erkannte er, dass dieser fremde Mönch niemand anderes war als der Erzengel Gabriel, und er begab sich zum Protos (dem „Ersten“) des Heiligen Bergs, um ihm und den Altvätern das Wunder zu melden. Diese sandten die Steinplatte dem Ökumenischen Patriarchen und dem Kaiser, damit der Hymnus in der ganzen orthodoxen Welt verbreitet werde. Die Ikone, vor welcher das Wunder geschah, brachten sie in das Protaton, wo sie seither hinter dem Altar thront als Herrin, Äbtissin und Beschützerin des Heiligen Bergs. Der Stein selber ist später in Konstantinopel bei der Eroberung durch die Osmanen verloren gegangen.

Diese Ikone des Axion Estin ist mit der Portaitissa des Klosters Iviron die berühmteste aller wundertätigen Ikonen des „Gartens der Panagia“. Viermal hat sie bisher den Heiligen Berg verlassen, um dem ganzen griechischen Volk ihren Trost zu spenden (1963, 1985, 1987 und 1999), und jedesmal wurde ihr ein offizieller Empfang zuteil mit Ehren, wie sie einem Staatsoberhaupt zukommt. Jedes Jahr wird sie am Ostermontag in einer Prozession durch Karyes und seine Umgebung getragen, um die Natur zu heiligen und die Bewohner von allem Bösen und Unheil zu schützen.

Das Kelliion Axion Estin hat uns ein Video zugeleitet, das dort aufgenommen wurde. Siehe hier

Links unten die Ikone Axion Estin, rechts daneben der Stein, in den Erzengel Gabriel den Text des Hymnus "Axion Estin" schrieb.

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